c. Das unendliche Urteil
Das negative Urteil ist sowenig ein wahres Urteil als das positive. Das unendliche Urteil aber, das seine Wahrheit sein soll, ist nach seinem negativen Ausdrucke das Negativ-Unendliche, ein Urteil, worin auch die Form des Urteils aufgehoben ist. - Dies aber ist ein widersinniges Urteil. Es soll ein Urteil sein, somit eine Beziehung von Subjekt und Prädikat enthalten; aber eine solche soll zugleich nicht darin sein. - Der Name des unendlichen Urteils pflegt in den gewöhnlichen Logiken zwar aufgeführt zu werden, aber ohne daß es eben deutlich würde, was es mit demselben für eine Bewandtnis habe. - Beispiele von negativ-unendlichen Urteilen sind leicht zu haben, indem Bestimmungen zu Subjekt und Prädikat negativ verbunden werden, deren eine nicht nur die Bestimmtheit der andern nicht, sondern auch ihre allgemeine Sphäre nicht enthält; also z. B. der Geist nicht rot, gelb usf., nicht sauer, nicht kalisch usf., die Rose ist kein Elephant, der Verstand ist kein Tisch und dergleichen. - Diese Urteile sind richtig oder wahr, wie man es nennt, aber einer solchen Wahrheit ungeachtet widersinnig und abgeschmackt. - Oder vielmehr sie sind keine Urteile. - Ein reelleres Beispiel des unendlichen Urteils ist die böse Handlung. Im bürgerlichen Rechtsstreit wird etwas nur als das Eigentum der anderen Partei negiert, so daß aber eingeräumt wird, es sollte das Ihrige sein, wenn sie das Recht dazu hätte, und es wird nur unter dem Titel des Rechtes in Anspruch genommen; die allgemeine Sphäre, das Recht, wird also in jenem negativen Urteile anerkannt und erhalten. Das Verbrechen aber ist das unendliche Urteil, welches nicht nur das besondere Recht, sondern die allgemeine Sphäre zugleich negiert, das Recht als Recht negiert. Es hat zwar die Richtigkeit damit, daß es eine wirkliche Handlung ist, aber weil sie sich auf die Sittlichkeit, welche ihre allgemeine Sphäre ausmacht, durchaus negativ bezieht, ist sie widersinnig.
Das Positive des unendlichen Urteils, der Negation der Negation, ist die Reflexion der Einzelheit in sich selbst, wodurch sie erst als die bestimmte Bestimmtheit gesetzt ist. "Das Einzelne ist einzeln" war der Ausdruck desselben nach jener Reflexion. Das Subjekt ist im Urteile des Daseins als unmittelbares Einzelnes, insofern mehr nur als Etwas überhaupt. Durch die Vermittlung des negativen und unendlichen Urteils ist es erst als Einzelnes gesetzt.
Das Einzelne ist hiermit gesetzt als sich in sein Prädikat, das mit ihm identisch ist, kontinuierend; somit ist auch die Allgemeinheit ebensosehr nicht mehr als die unmittelbare, sondern als ein Zusammenfassen von Unterschiedenen. Das positiv-unendliche Urteil lautet ebensowohl: "Das Allgemeine ist allgemein", so ist es ebensowohl als die Rückkehr in sich selbst gesetzt.
Durch diese Reflexion der Urteilsbestimmungen in sich hat nun sich das Urteil aufgehoben; im negativ-unendlichen Urteil ist der Unterschied sozusagen zu groß, als daß es noch ein Urteil bliebe; Subjekt und Prädikat haben gar keine positive Beziehung aufeinander; im Gegenteil ist im Positiv-Unendlichen nur die Identität vorhanden, und es ist wegen des ganz ermangelnden Unterschiedes kein Urteil mehr.
Näher ist es das Urteil des Daseins, welches sich aufgehoben hat; es ist damit das gesetzt, was die Kopula des Urteils enthält, daß die qualitativen Extreme in dieser ihrer Identität aufgehoben sind. Indem aber diese Einheit der Begriff ist, so ist sie unmittelbar ebenso wieder in ihre Extreme dirimiert und ist als Urteil, dessen Bestimmungen aber nicht mehr unmittelbare, sondern in sich reflektierte sind. Das Urteil des Daseins ist in das Urteil der Reflexion übergegangen.
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