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b. Das negative Urteil
1. Es ist schon oben von der gewöhnlichen Vorstellung die Rede gewesen, daß es nur vom Inhalte des Urteils abhänge, ob es wahr sei oder nicht, indem die logische Wahrheit nichts als die Form betreffe und nichts fordere, als daß jener Inhalt sich nicht widerspreche. Zur Form des Urteils selbst wird nichts gerechnet, als daß es die Beziehung zweier Begriffe sei. Es hat sich aber ergeben, daß diese beiden Begriffe nicht bloß die verhältnislose Bestimmung einer Anzahl haben, sondern als Einzelnes und Allgemeines sich verhalten. Diese Bestimmungen machen den wahrhaft logischen Inhalt, und zwar in dieser Abstraktion den Inhalt des positiven Urteils aus; was für anderer Inhalt ("die Sonne ist rund", "Cicero war ein großer Redner in Rom", "jetzt ist's Tag" usf.) in einem Urteil vorkommt, geht das Urteil als solches nichts an; es spricht nur dies aus: Das Subjekt ist Prädikat, oder, da dies nur Namen sind, bestimmter: das Einzelne ist allgemein und umgekehrt. - Um dieses rein logischen Inhalts willen ist das positive Urteil nicht wahr, sondern hat seine Wahrheit im negativen Urteil. - Der Inhalt, fordert man, soll sich im Urteile nur nicht widersprechen; er widerspricht sich aber in jenem Urteile, wie sich gezeigt hat. - Es ist jedoch völlig gleichgültig, jenen logischen Inhalt auch Form zu nennen und unter Inhalt nur die sonstige empirische Erfüllung zu verstehen, so enthält die Form nicht bloß die leere Identität, außer welcher die Inhaltsbestimmung läge. Das positive Urteil hat alsdann durch seine Form als positives Urteil keine Wahrheit; wer die Richtigkeit einer Anschauung oder Wahrnehmung, die Übereinstimmung der Vorstellung mit dem Gegenstand Wahrheit nennte, hat wenigstens keinen Ausdruck mehr für dasjenige, was Gegenstand und Zweck der Philosophie ist. Man müßte den letzteren wenigstens Vernunftwahrheit nennen, und man wird wohl zugeben, daß solche Urteile, daß Cicero ein großer Redner gewesen, daß es jetzt Tag ist usf. keine Vernunftwahrheiten sind. Aber sie sind dies nicht, nicht weil sie gleichsam zufällig einen empirischen Inhalt haben, sondern weil sie nur positive Urteile sind, die keinen anderen Inhalt als ein unmittelbar Einzelnes und eine abstrakte Bestimmtheit zum Inhalte haben können und sollen.
Das positive Urteil hat seine Wahrheit zunächst in dem negativen: Das Einzelne ist nicht abstrakt allgemein, - sondern das Prädikat des Einzelnen ist darum, weil es solches Prädikat oder, für sich ohne die Beziehung auf das Subjekt betrachtet, weil es abstrakt Allgemeines ist, selbst ein Bestimmtes; das Einzelne ist daher zunächst ein Besonderes. Ferner nach dem anderen Satze, der im positiven Urteile enthalten ist, heißt das negative Urteil: das Allgemeine ist nicht abstrakt einzeln, sondern dies Prädikat, schon weil es Prädikat ist oder weil es in Beziehung auf ein allgemeines Subjekt steht, ist ein Weiteres als bloße Einzelheit, und das Allgemeine ist daher gleichfalls zunächst ein Besonderes. - Indem dies Allgemeine, als Subjekt, selbst in der Urteilsbestimmung der Einzelheit ist, so reduzieren sich beide Sätze auf den einen: "Das Einzelne ist ein Besonderes".
Es kann bemerkt werden, a) daß sich hier die Besonderheit für das Prädikat ergibt, von der vorhin schon die Rede war; allein hier ist sie nicht durch äußerliche Reflexion gesetzt, sondern vermittels der am Urteil aufgezeigten negativen Beziehung entstanden. b) Diese Bestimmung ergibt sich hier nur für das Prädikat. Im unmittelbaren Urteile, dem Urteile des Daseins, ist das Subjekt das zum Grunde Liegende; die Bestimmung scheint sich daher zunächst am Prädikate zu verlaufen. In der Tat aber kann diese erste Negation noch keine Bestimmung oder eigentlich noch kein Setzen des Einzelnen sein, da es erst das Zweite, das Negative des Negativen ist.
"Das Einzelne ist ein Besonderes" ist der positive Ausdruck des negativen Urteils. Dieser Ausdruck ist insofern nicht positives Urteil selbst, als dieses um seiner Unmittelbarkeit willen nur das Abstrakte zu seinen Extremen hat, das Besondere aber eben durch das Setzen der Beziehung des Urteils sich als die erste vermittelte Bestimmung ergibt. - Diese Bestimmung ist aber nicht nur als Moment des Extrems zu nehmen, sondern auch, wie sie eigentlich zunächst ist, als Bestimmung der Beziehung; oder das Urteil ist auch als negatives zu betrachten.
Dieser Übergang gründet sich auf das Verhältnis der Extreme und ihrer Beziehung im Urteile überhaupt. Das positive Urteil ist die Beziehung des unmittelbar Einzelnen und Allgemeinen, also solcher, deren das eine zugleich nicht ist, was das andere; die Beziehung ist daher ebenso wesentlich Trennung oder negativ; daher das positive Urteil als negatives zu setzen war. Es war daher von Logikern kein solches Aufheben darüber zu machen, daß das Nicht des negativen Urteils zur Kopula gezogen worden sei. Was im Urteile Bestimmung des Extrems ist, ist ebensosehr bestimmte Beziehung. Die Urteilsbestimmung oder das Extrem ist nicht die rein qualitative des unmittelbaren Seins, welche nur einem Anderen außer ihm entgegenstehen soll, noch ist sie Bestimmung der Reflexion, die sich nach ihrer allgemeinen Form als positiv und negativ verhält, deren jedes als ausschließend gesetzt und nur an sich identisch mit der anderen ist. Die Urteils- als Begriffsbestimmung ist an ihr selbst ein Allgemeines, gesetzt als sich in ihre andere Kontinuierendes. Umgekehrt ist die Beziehung des Urteils dieselbe Bestimmung, als die Extreme haben; denn sie ist eben diese Allgemeinheit und Kontinuation derselben ineinander; insofern diese unterschieden sind, hat sie auch die Negativität an ihr.
Der oben angegebene Übergang von der Form der Beziehung zur Form der Bestimmung macht die unmittelbare Konsequenz aus, daß das Nicht der Kopula ebensosehr zum Prädikate geschlagen und dasselbe als das Nicht-Allgemeine bestimmt werden muß. Das Nicht-Allgemeine aber ist durch eine ebenso unmittelbare Konsequenz das Besondere. - Wird das Negative nach der ganz abstrakten Bestimmung des unmittelbaren Nichtseins festgehalten, so ist das Prädikat nur das ganz unbestimmte Nicht-Allgemeine. Von dieser Bestimmung wird sonst in der Logik bei den kontradiktorischen Begriffen gehandelt und als etwas Wichtiges eingeschärft, daß beim Negativen eines Begriffs nur am Negativen festgehalten und es als der bloß unbestimmte Umfang des Anderen des positiven Begriffs genommen werden soll. So wäre das bloße Nicht-Weiße ebensowohl das Rote, Gelbe, Blaue usf. als das Schwarze. Das Weiße aber als solches ist die begrifflose Bestimmung der Anschauung; das Nicht des Weißen ist dann das ebenso begrifflose Nichtsein, welche Abstraktion ganz zu Anfang der Logik betrachtet und als deren nächste Wahrheit das Werden erkannt worden ist. Wenn bei Betrachtung der Urteilsbestimmungen solcher begrifflose Inhalt aus der Anschauung und Vorstellung als Beispiel gebraucht und die Bestimmungen des Seins und die der Reflexion für Urteilsbestimmungen genommen werden, so ist dies dasselbe unkritische Verfahren, als wenn nach Kant die Verstandesbegriffe auf die unendliche Vernunftidee oder das sogenannte Ding-an-sich angewendet werden; der Begriff, wozu auch das von ihm ausgehende Urteil gehört, ist das wahrhafte Ding-an-sich oder das Vernünftige; jene Bestimmungen aber gehören dem Sein oder Wesen an und sind noch nicht zu der Art und Weise fortgebildete Formen, wie sie in ihrer Wahrheit, im Begriffe sind. - Wenn bei dem Weißen, Roten, als sinnlichen Vorstellungen, stehengeblieben wird, so wird, wie gewöhnlich, etwas Begriff genannt, was nur Vorstellungsbestimmung ist, und dann ist freilich das Nicht-Weiße, Nicht-Rote kein Positives, so wie vollends das Nicht-Dreieckige ein ganz Unbestimmtes ist, denn die auf der Zahl und dem Quantum überhaupt beruhende Bestimmung ist die wesentlich gleichgültige, begrifflose. Aber wie das Nichtsein selbst, so soll auch solcher sinnlicher Inhalt begriffen werden und jene Gleichgültigkeit und abstrakte Unmittelbarkeit verlieren, die er in der blinden, bewegungslosen Vorstellung hat. Schon im Dasein wird das gedankenlose Nichts zur Grenze, wodurch Etwas sich doch auf ein Anderes außer ihm bezieht. In der Reflexion aber ist es das Negative, das sich wesentlich auf ein Positives bezieht und somit bestimmt ist; ein Negatives ist schon nicht mehr jenes unbestimmte Nichtsein; es ist gesetzt, nur zu sein, indem ihm das Positive entgegensteht; das Dritte ist ihr Grund; das Negative ist somit in einer umschlossenen Sphäre gehalten, worin das, was das eine nicht ist, etwas Bestimmtes ist. - Noch mehr aber ist in der absolut flüssigen Kontinuität des Begriffs und seiner Bestimmungen das Nicht unmittelbar ein Positives und die Negation nicht nur Bestimmtheit, sondern in die Allgemeinheit aufgenommen und mit ihr identisch gesetzt. Das Nicht-Allgemeine ist daher sogleich das Besondere.
2. Indem die Negation die Beziehung des Urteils angeht und das negative Urteil noch als solches betrachtet wird, so ist es fürs erste noch ein Urteil; es ist somit das Verhältnis von Subjekt und Prädikat oder von Einzelheit und Allgemeinheit vorhanden und die Beziehung derselben, die Form des Urteils. Das Subjekt als das zugrunde liegende Unmittelbare bleibt unberührt von der Negation; es behält also seine Bestimmung, ein Prädikat zu haben, oder seine Beziehung auf die Allgemeinheit. Was daher negiert wird, ist nicht die Allgemeinheit überhaupt im Prädikate, sondern die Abstraktion oder die Bestimmtheit desselben, welche gegen jene Allgemeinheit als Inhalt erschien. - Das negative Urteil ist also nicht die totale Negation; die allgemeine Sphäre, welche das Prädikat enthält, bleibt noch bestehen; die Beziehung des Subjekts auf das Prädikat ist daher wesentlich noch positiv; die noch gebliebene Bestimmung des Prädikats ist ebensosehr Beziehung. - Wenn z. B. gesagt wird, die Rose ist nicht rot, so wird damit nur die Bestimmtheit des Prädikats negiert und von der Allgemeinheit, die ihm gleichfalls zukommt, abgetrennt; die allgemeine Sphäre, die Farbe, ist erhalten; wenn die Rose nicht rot ist, so wird dabei angenommen, daß sie eine Farbe und eine andere Farbe habe; nach dieser allgemeinen Sphäre ist das Urteil noch positiv.
"Das Einzelne ist ein Besonderes" - diese positive Form des negativen Urteils drückt dies unmittelbar aus; das Besondere enthält die Allgemeinheit. Es drückt überdem auch aus, daß das Prädikat nicht nur ein Allgemeines sei, sondern auch noch ein Bestimmtes. Die negative Form enthält dasselbe; denn indem z. B. die Rose zwar nicht rot ist, so soll sie nicht nur die allgemeine Sphäre der Farbe zum Prädikate behalten, sondern auch irgendeine andere bestimmte Farbe haben; die einzelne Bestimmtheit des Roten ist also nur aufgehoben, und es ist nicht nur die allgemeine Sphäre gelassen, sondern auch die Bestimmtheit erhalten, aber zu einer unbestimmten, zu einer allgemeinen Bestimmtheit gemacht, somit zur Besonderheit.
3. Die Besonderheit, welche sich als die positive Bestimmung des negativen Urteils ergeben, ist das Vermittelnde zwischen der Einzelheit und Allgemeinheit; so ist das negative Urteil nun überhaupt das Vermittelnde, zum dritten Schritte, der Reflexion des Urteils des Daseins in sich selbst. Es ist nach seiner objektiven Bedeutung nur das Moment der Veränderung der Akzidenzen oder, im Dasein, der vereinzelten Eigenschaften des Konkreten. Durch diese Veränderung tritt die vollständige Bestimmtheit des Prädikats oder das Konkrete als gesetzt hervor.
Das Einzelne ist Besonderes, nach dem positiven Ausdrucke des negativen Urteils. Aber das Einzelne ist auch nicht Besonderes; denn die Besonderheit ist von weiterem Umfange als die Einzelheit; sie ist also ein Prädikat, das dem Subjekt nicht entspricht, in dem es also seine Wahrheit noch nicht hat. Das Einzelne ist nur Einzelnes, die sich nicht auf Anderes, sei es positiv oder negativ, sondern nur sich auf sich selbst beziehende Negativität. - Die Rose ist nicht irgendein Farbiges, sondern sie hat nur die bestimmte Farbe, welche Rosenfarbe ist. Das Einzelne ist nicht ein unbestimmt Bestimmtes, sondern das bestimmte Bestimmte.
Von dieser positiven Form des negativen Urteils ausgegangen, erscheint diese Negation desselben nur wieder als eine erste Negation. Aber sie ist dies nicht. Vielmehr ist schon das negative Urteil an und für sich die zweite oder Negation der Negation, und dies, was es an und für sich ist, ist zu setzen. Nämlich es negiert die Bestimmtheit des Prädikats des positiven Urteils, dessen abstrakte Allgemeinheit oder, als Inhalt betrachtet, die einzelne Qualität, die es vom Subjekt enthält. Die Negation der Bestimmtheit ist aber schon die zweite, also die unendliche Rückkehr der Einzelheit in sich selbst. Hiermit ist also die Herstellung der konkreten Totalität des Subjekts geschehen, oder vielmehr ist es jetzt erst als Einzelnes gesetzt, indem es durch die Negation und das Aufheben derselben mit sich vermittelt worden. Das Prädikat seinerseits ist damit aus der ersten Allgemeinheit zur absoluten Bestimmtheit übergegangen und hat sich mit dem Subjekte ausgeglichen. Das Urteil heißt insofern: "Das Einzelne ist einzeln". - Von der andern Seite, indem das Subjekt ebensosehr als allgemeines anzunehmen war und insofern im negativen Urteile sich das Prädikat, das gegen jene Bestimmung des Subjekts das Einzelne ist, zur Besonderheit erweiterte und indem nun ferner die Negation dieser Bestimmtheit ebensosehr die Reinigung der Allgemeinheit ist, welche es enthält, so lautet dies Urteil auch so: "Das Allgemeine ist das Allgemeine".
In diesen beiden Urteilen, die sich vorhin durch äußere Reflexion ergeben hatten, ist das Prädikat schon in seiner Positivität ausgedrückt. Zunächst muß aber die Negation des negativen Urteils selbst in Form eines negativen Urteils erscheinen. Es hatte sich gezeigt, daß in ihm noch eine positive Beziehung des Subjekts auf das Prädikat und die allgemeine Sphäre des letzteren geblieben war. Es enthielt somit von dieser Seite eine von der Beschränktheit gereinigtere Allgemeinheit als das positive Urteil und ist daher um so mehr von dem Subjekt als Einzelnem zu negieren. Auf diese Weise ist der ganze Umfang des Prädikats negiert und keine positive Beziehung mehr zwischen ihm und dem Subjekte. Dies ist das unendliche Urteil.
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